5.2 Vollzugsaufgaben
In Form von Leistungsaufträgen kann der Bund Vollzugsaufgaben an private Organisationen übertragen.
Im Jahr 2000 hat das Bundesamt für Landwirtschaft BLW mit der Branchenorganisation Proviande erstmals einen Vertrag für diverse Leistungspakete abgeschlossen. Die Ausschreibung erfolgt alle vier Jahre auf der Grundlage eines WTO-Ausschreibungsverfahrens. In allen darauffolgenden Ausschreibungen konnte der Leistungsvertrag mit Proviande erneuert werden.
Folgende fünf Pakete sind Bestandteil des Leistungsauftrags, die von der schweizerischen Akkreditierungsstelle SAS überwacht und in regelmässigen Audits geprüft werden:
Paket 1: Qualitätseinstufung in Schlachtbetrieben
Ab einer Menge von 1'200 Schlachteinheiten wird in Schlachtbetrieben bei Schlachtkörpern der Schweine-, Rindvieh-, Schaf-, Pferde- und Ziegengattung eine neutrale Qualitätseinstufung durchgeführt. Als Schlachteinheit zählen 1 Grossvieh, 2 Kälber, 5 Schweine, 10 Schafe oder 20 Lämmer. Bei den Schweinen wird mit verschiedenen Messmethoden der Magerfleischanteil (MFA) ermittelt. Bei den übrigen Tiergattungen erfolgt die Qualitätsbeurteilung visuell nach dem CH-Tax-Klassifizierungssystem. Mit der Zulassung des BCC-3 ab 1. Januar 2022 kann die CH-Tax-Klassifizierung bei Tieren der Rindviehgattung ebenfalls maschinell vorgenommen werden.
Paket 2: Überwachung von öffentlichen Schlachtvieh- und Schafmärkten
In Absprache mit kantonalen oder regionalen Marktorganisatoren wird ein Jahresmarktprogramm für die öffentlichen Schlachtvieh- und Schafmärkte erstellt. Zu den Aufgaben der Marktüberwachung gehören gemäss Pflichtenheft das Taxieren von Tieren der Rindvieh- und Schafgattung, die Festlegung der Preise nach Handelsklassen gemäss QM-Wochenpreistabelle von Proviande und die Versteigerung der Tiere mittels öffentlichem Ausruf.
Die öffentlichen Schlachtviehmärkte bieten folgende Vorteile:
Sichtbarmachung von Angebot und Nachfrage mit dem Wochenmarktprogramm
Neutrale Qualitätseinstufung
Öffentliche Versteigerung
Preis- und Absatzgarantie
Preis- und Markttransparenz
Einheitliche Abwicklung
Effiziente und zentrale Einkaufsmöglichkeit für den Handel
Paket 3: Organisation von Einlagerungs- und Verbilligungsaktionen
Bei saisonalen Überangeboten, kann der Verwaltungsrat von Proviande mit Zusage des Bundesamtes für Landwirtschaft Massnahmen zur Marktentlastung für Schweine und Rindergattung beschliessen. Bei Einlagerungsaktionen wird Fleisch nach genauen Vorgaben in zentralen Lagern eingefroren, bis sich die Marktsituation wieder erholt hat und das Fleisch wieder in den Markt zurückgeführt werden kann. Bei der Verbilligungsaktion werden einzelne Fleischteile verbilligt. Das Fleisch bleibt im Markt, kann aber zu günstigeren Preisen verarbeitet oder verkauft werden. Die Finanzierung erfolgt durch den Bund aus dem Fonds der Beihilfe Viehwirtschaft. Die gesetzliche Grundlage ist in der Schlachtviehverordnung geregelt.
Paket 4: Kontrolle der Ermittlung des Schlachtgewichts von Tieren der Rinder-, Schaf-, Ziegen-, Schweine- und Pferdegattung in den Schlachtbetrieben der Schweiz und des Fürstentums Lichtenstein
In periodischen Abständen wird in den Schlachtbetrieben kontrolliert, ob die Ausschlachtung der Schlachtkörper den Vorgaben der Schlachtgewichtsverordnung entspricht. Die Verordnung regelt beim Schlachtprozess die Zeitdauer zwischen Betäubung und Waage. Weiter ist für jede Tiergattung genau vorgegeben, welche Körperteile vor dem Wägen entfernt werden dürfen. Die Kontrollen erfolgen unangemeldet und sind streng. Im Wiederholungsfall erfolgt bei Missachtung der Regeln eine Meldung ans Bundesamt für Landwirtschaft. Die Kontrollintervalle sind je nach Grösse des Schlachtbetriebs unterschiedlich.
Paket 5: Durchführung der Besprechungen zur Fleischeinfuhr
Der Inlandanteil bei allen Fleischkategorien in der Schweiz beträgt unter 100%. Über alle Tiergattungen verteilt, verfügt die Schweiz über eine inländische Produktion von rund 80%. Damit die Nachfrage sichergestellt werden kann, sind Importe unverzichtbar.
Mechanismus für Fleischeinfuhren innerhalb des Zollkontingents
Der Verwaltungsrat von Proviande trifft sich alle vier Wochen zu seiner ordentlichen Sitzung. Ein wichtiges Traktandum ist die Freigabe von Fleischeinfuhren. Je sechs Vertreter der Produzenten und Verwerter diskutieren die beantragten Mengen. Bei Uneinigkeit erfolgt eine Abstimmung. Können sich die Parteien nicht einigen, muss der Präsident den Stichentscheid fällen. Die definitive Zusage der beantragten Menge erfolgt immer durch das Bundesamt für Landwirtschaft.
Für die Einfuhr von Fleisch und Fleischwaren sind in der Schlachtviehverordnung Einfuhrperioden bestimmt:
Vier Wochen für Fleisch von Tieren der Rindviehgattung sowie Schweinefleisch in Hälften
Quartalsfreigaben für Fleisch von Tieren der Schaf-, Ziegen- und Pferdegattung, Geflügelfleisch und Schlachtnebenprodukten
Das Kalenderjahr für alle anderen Fleisch- und Fleischwarenkategorien
Sind die Mengen der Quartalsfreigaben zu knapp bemessen, besteht die Möglichkeit, während der laufenden Periode eine Zusatzfreigabe zu beantragen.
WTO-Agrarabkommen
Die Regelung für Zollkontingente von Fleisch basiert auf dem WTO-Agrarabkommen von 1995. Die Welthandelsorganisation WTO mit Sitz in Genf koordiniert die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den rund 160 Mitgliedstaaten. Ziel der WTO ist der Abbau von Handelshemmnissen und somit die Liberalisierung des internationalen Handels.
Gemäss den WTO-Verträgen muss die Schweiz den internationalen Marktpartnern einen minimalen Marktzutritt einräumen. Um dies zu gewährleisten, wurden Zollkontingente festgelegt. Für den Fleischimport sind dies die Kontingente Nr. 5 («rotes Fleisch», auf Raufutterbasis produziert) mit einem Umfang von jährlich 23'700 Tonnen brutto und Nr. 6 («weisses Fleisch», auf Kraftfutterbasis produziert) mit einer Menge von 54'500 Tonnen brutto pro Jahr. Die Überschreitung dieser Kontingentsmengen aufgrund des Marktbedarfs ist nur in zwei Fällen oder in Kombination davon möglich:
- Wenn die interessierten Kreise aufgrund des Marktbedarfs Kontingentsfreigaben beantragen, die grösser sind als die Mengen der (Teil-) Zollkontingente.
- Wenn so viel nichtbewirtschaftete Produkte importiert werden, dass die Gesamtkontingentsmenge überschritten wird.
Innerhalb des Zollkontingents können ausserdem lebende Tiere der Rindergattung, jährlich 1’000 Stiere, Ochsen oder Kühe und 3’000 Kälber im Kontingent Nr. 5 und 1'000 Schweine im Kontingent Nr. 6, zum Schlachten aus den Freizonen eingeführt werden.
Zwischen Importregelungen und Zollkontingenten gibt es einen Unterschied: Während Zollkontingente im Rahmen der WTO festgelegt werden, sind Importregelungen autonom unter anderem im Landwirtschaftsgesetz, in der Agrareinfuhrverordnung und in der Verordnung über den Schlachtvieh- und Fleischmarkt festgelegt. Die Schweiz ist weitgehend frei, wie sie die Zollkontingente verteilt. Das heisst frei bezüglich Versteigerungen, Inlandleistung, Rhythmus der Freigaben und Unterteilung in Teilzollkontingente, die nicht im Rahmen der WTO festgelegt sind.